Arbeitsrecht

Gehaltstransparenzregeln werden verschärftDie neue EU-Richtlinie zur Lohntransparenz und was Arbeitgeber schon jetzt beachten müssen

EU-weit liegt das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern bei durchschnittlichen 12,7 %. Auch in Deutschland verdienen Frauen nach wie vor weniger als Männer. Um das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU weiter abzubauen, hat die EU eine neue Richtlinie zur Lohntransparenz verabschiedet, welche am 07.06.2023 in Kraft getreten ist. Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis zum 07.06.2026 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Da die verabschiedeten Maßnahmen deutlich über das hinaus gehen, was das deutsche Entgelttransparenzgesetz bislang vorsieht, wird auch der deutsche Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nachbessern müssen. Einige Maßnahmen werden dazu führen, dass Unternehmen neue Verfahrensregeln und Dokumentationssysteme einführen oder zumindest anpassen müssen. Deshalb kann nur schon jetzt empfohlen werden, sich mit dem Inhalt der Richtlinie zu beschäftigen und Vorbereitungsmaßnahmen im Unternehmen zu treffen, um nicht in zwei Jahren vom Ausmaß der zu beachtenden Regeln überrascht zu werden. Denn auch die Sanktionen werden verschärft.

Folgende umzusetzende Mindest-Maßnahmen sieht die Richtlinie vor:

Entgelttransparenz für Arbeitssuchende:

Arbeitgeber müssen zukünftig bereits in der Stellenausschreibung oder zumindest vor dem Vorstellungsgespräch Informationen über das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne bereitstellen. Auch soll es Arbeitgebern verboten werden, Kandidaten nach ihrer derzeitigen Vergütung zu fragen. So soll sichergestellt werden, dass bestehende Lohndiskriminierung und Voreingenommenheit nicht fortbestehen, wenn Arbeitnehmer den Arbeitsplatz wechseln. Generell müssen Bewerbungsprozesse so ausgestaltet werden, dass sie nicht-diskriminierend sind.

Auskunftsrecht im bestehenden Arbeitsverhältnis:

Arbeitnehmer können künftig von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass er ihnen die durchschnittliche Entgelthöhen für die Gruppe von Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, schriftlich innerhalb von zwei Monaten mitteilt. Die Information muss zusätzlich nach Geschlechtern aufgeschlüsselt sein. Der Auskunftsanspruch soll künftig unabhängig von der Unternehmensgröße bestehen, auch die Anzahl der Arbeitnehmer, die der Vergleichsgruppe angehören, spielt hierfür keine Rolle. Bislang trifft in Deutschland diese Verpflichtung nur Unternehmen mit mehr als 200 Arbeitnehmern. Weiterhin kann das Auskunftsrecht auch über die Arbeitnehmervertretung geltend gemacht werden.

Ferner müssen Arbeitgeber Kriterien offenlegen, die zur Bestimmung des Entgelts und der Laufbahnentwicklung herangezogen werden. Diese Kriterien müssen nicht-diskriminierend und objektiv geschlechtsneutral sein. Auch müssen Arbeitgeber alle Arbeitnehmer jährlich über ihr Recht auf Auskunft informieren. Auch das ist neu.

Zu beachten ist dabei auch, dass die Richtlinie den Arbeitnehmerbegriff des europäischen Rechts zugrunde legt. Es werden also alle im weitesten Sinne abhängig Beschäftigten, also Leiharbeitnehmer, Arbeitnehmer mit Abrufverträgen usw., erfasst (und sogar Bewerber, s. o.). Eine weitere Besonderheit betrifft deshalb Fremdgeschäftsführer, zumeist in GmbHs. Aufgrund der abweichenden Konzeption des Begriffs des Arbeitnehmers im EU-Recht sind deutsche Gerichte gehalten, diesen anzuwenden, wenn deutsches Recht eine Umsetzung europäischen Rechts darstellt. Es gab nun zuletzt einige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, in denen dieser EU-Arbeitnehmerbegriff verwendet wurde, mit der Folge, dass gesetzliche Regelungen, die nach deutschem Rechtsverständnis nur Arbeitnehmer, nicht aber Organvertreter wie Geschäftsführer betrafen, auch auf Fremdgeschäftsführer ausgedehnt wurden, wenn im Einzelfall eine Abhängigkeit von den Entscheidungen der Gesellschafter festgestellt wurde. Dies wird also zur Konsequenz haben können, dass selbst GmbH-Geschäftsführer gegen ihre Gesellschaft einen Anspruch auf Auskunft haben, etwa wenn es mehrere Geschäftsführer in dem Unternehmen geben würde. Es bleibt abzuwarten, wie damit in der Praxis umzugehen sein wird.

Berichtspflichten über das geschlechtsspezifische Lohngefälle:

Arbeitgeber mit mindestens 100 Beschäftigten müssen Informationen über das Lohngefälle zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zukünftig veröffentlichen. Bislang müssen dies nur Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten. Die Berichtspflichten werden also massiv auf mittelständische Betriebe ausgeweitet werden. Die Richtlinie sieht vor, dass in der ersten Phase Arbeitgeber mit mindestens 250 Beschäftigten jährlich und Arbeitgeber mit 150 bis 249 Beschäftigten alle drei Jahre Bericht zu erstatten haben. Ab fünf Jahren nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie (also ab 2031) sind Arbeitgeber mit 100 bis 149 Beschäftigten ebenfalls verpflichtet, alle drei Jahre Bericht zu erstatten. Für Unternehmen unter 100 Beschäftigten sieht die Richtlinie keine Berichtspflichten vor.

Gemeinsame Entgeltbewertung

Ergibt die Entgeltberichterstattung ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle von mindestens fünf Prozent und kann der Arbeitgeber das Gefälle nicht anhand objektiver geschlechtsneutraler Faktoren rechtfertigen, soll in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen eine Entgeltbewertung vorgenommen werden. Auch dieses im deutschen Recht schon vorgesehene betriebliche Prüfverfahren wird also auf viele kleinere Unternehmen ausgeweitet werden.

Sanktionen

Die Richtlinie sieht vor, dass Arbeitnehmern, die aufgrund ihres Geschlechts hinsichtlich ihres Entgelts benachteiligt wurden, einen „vollständigen“ Schadensersatzanspruch haben und so zu stellen sind, als sei die festgestellte Benachteiligung nicht erfolgt. Der Schadensersatz hat folglich mindestens die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte, inklusive der damit verbundenen Boni oder Sachleistungen, zu umfassen. Grundsätzlich wird es dem Arbeitgeber obliegen, im Streitfalle darzulegen und zu beweisen, dass es keine Diskriminierung in Bezug auf das Entgelt gegeben hat. Wie also im bestehenden AGG („Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz“) wird es künftig eine Umkehr der Beweislast geben, wenn die erteilte Auskunft eine geschlechtsspezifische Benachteiligung beim Gehalt vermuten lässt. Darüber hinaus sollen die Mitgliedstaaten spezifische Sanktionen für Verstöße für Verstöße gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts und die festgelegten Verfahrensvorschriften festlegen, darunter auch Geldstrafen. Das sieht das deutsche Entgelttransparenzgesetz derzeit ebenfalls noch nicht vor.

Die neue EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz gibt lediglich die Mindestanforderungen vor. Es bleibt den nationalen Gesetzgebern im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie unbenommen, auch einen strengeren Maßstab anzulegen.

Auch wenn abzuwarten bleibt, wie der nationale Gesetzgeber die Richtlinie umsetzen wird, werden die dargestellten Regelungen allerdings in jedem Fall umgesetzt werden müssen. Es lohnt sich also schon jetzt, die eigenen Prozesse zu hinterfragen und zu analysieren, ob Maßnahmen ergriffen werden müssen, um künftig den strengen Anforderungen an die Entgelttransparenz zu genügen.

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